Gehirn und Schmerz

Das Geheimnis des Schmerzes liegt im menschlichen Gehirn

Unser Gehirn ist wohl das wichtigste Zentrum der menschlichen Existenz, ein äußerst komplexes Organ, dessen Funktionen den Menschen dazu befähigen, seine Umwelt mit den Sinnen wahrzunehmen und ihm kognitive Fähigkeiten, Sprache und Orientierung ermöglicht. Nervenzellen verbinden den Körper mit dem Gehirn und leiten alle Reize an das jeweils zuständige Zentrum innerhalb des Gehirns weiter. So auch den Schmerz.

Schmerzentstehung und Definition

Wie kommt es nun letztendlich dazu, dass wir Schmerzen fühlen? Für das Wahrnehmen äußerer Reize sind Rezeptoren zuständig, in diesem Fall Schmerzrezeptoren, die auch als Nozizeptoren bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um ein verzweigtes Ende einer Nervenfaser. Anschließend wird der aufgenommene Reiz in einen elektrischen Impuls umgewandelt und über die Nervenbahnen an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Die Stärke des Schmerzes wird durch die Häufigkeit dieser elektrischen Impulse bestimmt. Dennoch ist Schmerz ein sehr subjektiver Begriff, jeder Mensch empfindet ihn auf eine andere Weise. Der tatsächliche, physische Auslöser ist nur ein Teil des Schmerzempfindens, denn auch unsere Erziehung, unsere Erfahrung und sogar der Kulturkreis, in dem wir aufgewachsen sind und leben, tragen dazu bei, wie wir Schmerzen wahrnehmen.

Schmerzwahrnehmung und Schmerzwirkung

Anders, als lange Zeit angenommen, gibt es kein alleiniges „Schmerzzentrum“ in unserem Gehirn, vielmehr handelt es sich bei Schmerz um einen Gesamt- Sinneseindruck, der das ganzem Gehirn betrifft. Somit sind unterschiedliche Bereiche des Gehirns an der Wahrnehmung des Schmerzes beteiligt. Dabei spielen Ängste, Erwartungen und Bewertungen eine große Rolle, welche ihre Entstehung im Vorderhirn, im Zwischenhirn und im lymbischen System haben. Dr. Wolfgang Miltner von der Friedrich Schiller Universität in Jena bezeichnet Schmerz als “Konstruktion des Gehirns”, womit Schmerz seiner Ansicht nach viel mehr ein “psychologischesm als ein neurologisches Phänomen” darstellt. Des weiteren führt Dr. Miltner fort, ist Schmerz eine Erfahrung, welche im Gehirn immer wieder abgerufen wird. Dafür arbeiten über 20 Strukturen im Gehirn auf unterschiedlichste Weise zusammen. Für die These, dass Schmerz erst im Gehirn selbst entsteht, spricht auch, dass ein realer Schmerz, welcher durch einen Hitzereiz oder einen Schnitt in den Finger ausgelöst wird, die selben Aktivierungsspuren im Gehirn aufweist, wie ein Phantomschmerz.

Das Gedächtnis des Schmerzes

Gerade die Behandlung eben dieser Phantomschmerzen, welche nach Amputationen auftreten, stellen eine Herausforderung dar. Die Schmerzen in nicht mehr vorhandenen Körperregionen lassen sich dadurch erklären, dass, wie oben erwähnt, Schmerz eine Erfahrung ist. Durch das wiederholte Erleben der Schmerzen bildet sich im Gehirn ein so genanntes Schmerzgedächtnis aus, das den Menschen auch später noch den Schmerz spüren lässt. Auch bei chronischen Schmerzen ist das der Fall. Das Gedächtnis des Schmerzes wird im zentralen Nervensystem ausgebildet und führt, ist es einmal entstanden, zu immer wieder auftretenden Schmerzen und lässt sich leider nur schwer behandeln. Zu einer Chronifizierung bestimmter Schmerzen kann es zum Beispiel dann kommen, wenn ein akuter Schmerz nicht richtig behandelt und ausreichend gelindert wird. Denn auch die Nervenzellen, die den Schmerz an das Gehirn weiterleiten, sind lernfähig. Auch sie verändern ihre Aktivität, wenn sie immer wieder den gleichen Schmerzimpulsen ausgesetzt sind. Diese Veränderung lässt sich biochemisch nachweisen. Sie zeigt sich sogar im Aufbau der Zellen und kann dann dazu führen, dass bereits eine noch so kleine Berührung zu einem unangenehmen Schmerzgefühl führt. Prof. Dr. Herta Flor vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit an der Universität Heidelberg erläutert, dass “Patienten häufig unter extremen Schmerzen leiden, ohne dass sich eine den Schmerz erklärende äußerliche körperliche Ursache findet.” Das liegt daran, dass “Schmerz als psychophysiologisches Phänomen gesehen wird, an dem psychische und physiologische Veränderungen gleichermaßen beteiligt sind.”

Emotionale Schmerzen

In diversen Redewendungen ist es schon lange gebräuchlich, Umstände seelischen Ursprungs,
wie Liebeskummer, auch als Schmerz zu bezeichnen. Nun konnten amerikanische Wissenschaftler feststellen, dass bei eben diesen seelischen und sozialen Phänomenen die gleichen Gehirnareale aktiviert werden, wie bei körperlichen Schmerzen, wie sie etwa durch Gewebsverletzungen ausgelöst werden. So stellt die Forscherin Naomi I. Eisenberger vom Department of Psychology der University of California in ihrer Studie die Frage: “Does rejection hurt?” Damit beschäftigt sie sich also mit dem Thema, ob auch soziale Zurückweisung im wahrsten Sinne des Wortes weh tun kann. Dabei wurde die Gehirnaktivität diverser Probanden gemessen, während sie sozialer Zurückweisung ausgesetzt waren. Das Ergebnis war erstaunlich. Die Muster, die das Gehirn durch neurale Aktivität bei seelischem Schmerz zeigt, weisen eine enorme Ähnlichkeit zu den Mustern auf, die bei physischem Schmerz entstehen. Von besonderem Interesse für die Forscher war ein ganz spezieller Gehirnbereich, der vordere cinguläre Cortex, kurz ACC. Naomi I. Eisenberger bezeichnet diesen ACC als ein “neuronales Alarmsystem, welches das Gehirn informiert, wenn etwas nicht in Ordnung ist.” Dieses Alarmsystem wird dann bei körperlichem Schmerz aktiviert. Nun hat sich durch Eisenbergers Studie gezeigt, dass auch Zurückweisung bei den Probanden starke Wirkung auf den ACC aufweist. Diese starke Ähnlichkeit der Aktivierungsmuster, so die Forscherin “liefern Hinweise dafür, dass die Erfahrung und Regulierung von sozialem und physischem Schmerz eine gemeinsame neuroanatomische Basis teilen.” Seelischer Schmerz ist demnach nicht nur in unserem alltäglichen Sprachgebrauch zu finden, er tut tatsächlich weh.

Schmerzbehandlung und Schmerztherapie

Die Frage danach, an wen Schmerzpatienten sich wenden können, ist nicht immer so einfach zu beantworten – es gibt kein einheitliches Rezept gegen Schmerzen. Wichtig für den Patienten ist aber in jedem Fall, den Schmerz nicht einfach auszuhalten und nichts dagegen zu unternehmen. Unbehandelt können Schmerzen langfristig zu organischen Schäden, Depressionen und auch zu Arbeitsunfähigkeit führen. Umgekehrt führen auch psychische Probleme zu Schmerzen. Zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen werden viele unterschiedliche Therapieformen angeboten. Es besteht die Möglichkeit, sich medikamentös behandeln zu lassen, aber auch physiotherapeutische und physikalische Methoden können in Anspruch genommen werden. Dazu gehören z.B. die Massage, die Thermotherapie sowie die Elektrotherapie. Des Weiteren zählt auch die Akkupunktur zu den Behandlungsmethoden in der Schmerztherapie, genauso wie Formen der Psychotherapie. Welche Methode für den einzelnen Patienten die richtige ist oder ob eine Kombination mehrerer Therapieformen herangezogen wird, muss individuell entschieden werden. Der erste und wichtigste Schritt ist aber der, mit den Schmerzen zum Arzt zu gehen.

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