Viele Herzfehler bleiben unentdeckt – Früherkennung im Kindesalter

DDDr. Peter Voitl ist Experte für frühkindliche   Herzfehler- diagnostik: Etwa 8 bis 10 von 1.000   Kindern leiden an einer angeborenen Fehlbildung des Herzens oder der großen Gefäße, mittlerweile erreicht der weitaus größte Teil der Betroffenen das Erwachsenenalter. Diese Prognoseverbesserung ist eng mit einer frühzeitigen Diagnostik verbunden. In Österreich sind derzeit etwa 800 Kinder pro Geburtsjahrgang betroffen. 

Der menschliche Fetus besitzt in den ersten Lebenswochen einen Vorhof, eine Herzkammer und einen herznahen Arterienstamm. Die Ausbildung von zwei Herzteilen und zwei Kreisläufen ist dadurch möglich, weil Scheidewände die Herzhöhlen unterteilen, es kommt zu komplizierten Drehungsvorgängen. Störungen dieser fetalen Herzentwicklung sind die Ursache der angeborenen Herzfehler, wobei man den eigentlichen Grund in einem Großteil der Fälle nicht kennt. Die überwiegende Mehrzahl der angeborenen Herzfehler (ca 80%) entsteht quasi schicksalshaft und ohne einer fassbaren Ursache. Bei acht Prozent liegt ein genetischer Defekt vor. Zusätzlich können Viruserkrankungen (z. B. Rötelinfektion in der Schwangerschaft), exzessiver Alkoholkonsum und manche Medikamente in der frühen Schwangerschaft zu Herzfehlern führen. Eine Schädigung in der Schwangerschaft – zum Beispiel durch Medikamente oder Viren – ist aber selten und liegt im Bereich weniger Prozente.

Früherkennung

Zur Früherkennung ist es wichtig die Symptome zu kennen: Manche Kinder werden unmittelbar nach der Geburt auffällig, etwa durch Zyanose (violette bis bläuliche Verfärbung der Haut, Lippen), Atem- oder Trinkschwierigkeiten, bei anderen wird der Fehler erst im Alter von einigen Tagen, Wochen. Monaten oder erst nach Jahren bemerkt. Manche Herzfehler gehen bereits nach der Geburt mit einer schweren Zyanose einher. Andere angeborene Herzfehler führen erst später oder auch gar nicht zu einer Zyanose.

Hier wird deutlich, dass das enge Netz der Mutterkindpassuntersuchungen sehr wichtig ist und unbedingt genutzt werden sollte. Weitere typische Symptome einer Herzerkrankung wären: eine Tachycardie, eine auffallend angestrengte und beschleunigte Atmung, Entwicklung von Ödemen, schnelle Erschöpfbarkeit, Schwitzen bei geringster Belastung und schlechtes Gedeihen. Säuglinge trinken schlecht, nehmen wenig zu. Bei vielen Kindern mit geringfügigen Fehlbildungen gibt es aber  (fast) keine  Symptome.

Viele Arten von Herzfehlern

Kinder können unterschiedliche Herzfehler haben. Aussagen über Prognose und Art der Therapie sind nur bei genauer Kenntnis des individuellen Herzfehlers möglich. Ein solcher Herzfehler kann bereits bei der Geburt offensichtlich sein, manchmal bleibt er jedoch jahrelang unbemerkt; häufig wird bei einer Routinekontrolle ein  „Herzgeräusch“ festgestellt.

Dieses neu diagnostizierte Herzgeräusch stellt eine der häufigsten Ursachen der Zuweisung zum Kinderkardiologen dar.  In der Altersgruppe vom ersten bis zum 14. Lebensjahr ist bei 32% bis 75% aller Kinder ein Herzgeräusch feststellbar. Bei dem überwiegend größten Teil dieser Herzgeräusche handelt es sich um ein sogenanntes Wachstumsgeräusch. Dennoch sollte eine Abklärung und somit der Ausschluss eines Herzfehlers durchgeführt werden, da etwa jedes hundertste dieser Kinder auch tatsächlich einen Herzfehler hat. Eine möglichst frühzeitige Diagnostik zur Vermeidung von Komplikationen ist anzustreben. Ein typisches Beispiel wäre der unentdeckte ASD II, der bei einer Therapie jenseits des 40. Lebensjahres eine Sterblichkeitsrate von bis zu 50% aufweist.

Viele Patienten mit angeborenen Herzfehlern bedürfen auch nach einem primär erfolgreichen Eingriff einer kinderkardiologischen Weiterbetreuung. Besonderer Beachtung bedürfen sogenannte Rest- und Folgezustände nach einer operativen Behandlung.

Zum einen ist eine schnelle Diagnostik bei jeder tatsächlichen Fehlbildung natürlich von Vorteil. Mit der Diagnose „Herzfehler“ beim Kind konfrontiert zu werden, zählt aber auch zu den erschreckendsten Erlebnissen, denen man als Elternteil begegnen kann.  Oftmals wird die Diagnose „Herzgeräusch“ von den Eltern mit „Herzfehler“ gleichgesetzt. Eine möglichst rasche Abklärung ist daher erstrebenswert, auch weil viele schulische und berufliche Entscheidungen (Sportschulen, Turnbefreiung, etc.) davon abhängen können.

Richtige Untersuchung

Der klassische Weg der Durchuntersuchung mit Überweisung zu EKG und Thoraxröntgen hat sich als wesentlich in- effektiver und teurer erweisen als die möglichst frühzeitige Überweisung zum pädiatrischen Kardiologen, der dann entscheidet, ob eine Echokardiographie erforderlich ist. Diese Überweisung soll unabhängig davon erfolgen, ob bereits eine Diagnostik innerhalb der Gebärmutter durchgeführt wurde. Die körperliche Untersuchung, das Abhören und die Pulsoximetrie (Verfahren mit dem die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes und die Herzfrequenz ermittelt wird) sind allein und auch in Kombination nicht ausreichend.

Durch die Fortschritte der fetalen Echokardiografie kann heute die überwiegende Zahl der schwerwiegenden Herzfehler bereits pränatal korrekt diagnostiziert werden. Dies erlaubt eine frühzeitige umfassende Beratung der Eltern mit der Empfehlung einer Entbindung in einem Perinatalzentrum mit einer angeschlossenen Kinderherzklinik. Postpartal kann so eine hämodynamische Dekompensation der Neugeborenen vermieden werden und die kinderkardiologische Diagnostik sowie eine katheterinterventionelle oder kinderherzchirurgische Therapie zeitgerecht durchgeführt werden.

Dies hat aber auch zu einer Veränderung der festgestellten Häufigkeit von angeborenen Herzfehlern bei Kindern mit Herzgeräuschen geführt. In einer Studie (Voitl u.a. 2011) wurden die echokardiografischen Daten  von 2.045 Patienten evaluiert und die Häufigkeit und Art von bisher nicht bekannten angeborenen Herzfehlern ausgewertet.

Ergebnisse

Der Großteil der Kinder mit Herzgeräuschen hatte zwar ein Wachstumsgeräusch ohne pathologisches Substrat, einen Sehnenfaden oder lediglich einen geringfügigen Herzfehler. Dennoch besteht für Kinder auch nach dem geburtshilflichen Screening ein (wenn auch geringes) Risiko, einen schwerwiegenden Herzfehler zu haben. In dieser Studienpopulation fanden sich 14,9 % der Patienten mit einer zuvor unbekannten angeborenen Herzfehlbildung; 1,4 % benötigten eine medikamentöse und 0,6 % eine interventionelle oder chirurgische Behandlung.

Daher wird die kinderkardiologische Abklärung auch für Kinder mit Herzgeräuschen, die bereits einer pränatalen Ultraschalldiagnostik unterzogen wurden, empfohlen.

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